HR-IT Projekte in Time und in Budget

Bei der ORBIS People HCM Konferenz Anfang März habe ich mich sehr gefreut, mal wieder eine Session zusammen mit Anja Marxsen moderieren zu dürfen. Unser Thema: Was unterscheidet HR-IT-Projekte, z.B. in SuccessFactors HXM, SAP Concur oder SAP HCM, die erfolgreich ohne Budgetüberschreitung und Verzögerungen ablaufen von den weniger erfolgreichen Projekten? Wir hatten für diese Paneldiskussion anonyme Projektbeispiele mitgebracht sowie eine Reihe von Erfolgskriterien aus unserer eigenen Projektpraxis. Was wir toll fanden, war, dass wir kaum die Hälfte unserer eigenen Beispiele durchsprechen konnten, weil es eine sehr angeregte Diskussion mit den Teilnehmenden gab. Man kann sicher sagen, dass es wohl kaum das perfekte Rezept gibt, weil das richtige Leben sich nicht immer ans Lehrbuch hält und jede Projektplanung von unvorhergesehenen Änderungen betroffen ist. Im Folgenden fassen wir einige der wichtigsten Punkte zusammen.

Die Schöne und das Biest: Projektbeispiele in SAP HCM, SuccessFactors und Concur

Wir starteten mit je einem positiven und einem negativen Beispiel für HRIS Projekte, wobei es bei dem positiven um eine Implementierung der SAP HCM Entgeltabrechnung ging und bei dem negativen um Concur Travel&Expense. Eigentlich umgekehrt als man es erwartet hätte – sind nicht Cloud-Lösungen einfacher einzuführen? Aber das war schon eine der Lektionen: die Probleme liegen selten an der Software selbst, sondern an Planung, Organisation und Erwartungen und – ja – auch daran, ob die gewählte Lösung zum Unternehmen passt.

Ein SAP HCM Payroll Projekt aus dem Bilderbuch

Woman giving thumbs up

Aber starten wir mit dem positiven Beispiel: dabei ging es um die Entgeltabrechnung und Zeitwirtschaft in SAP HCM für ca. 3000 Mitarbeitende. Im Prinzip ein relativ normales HR-IT-Projekt, aber wir haben schon oft gesehen, dass Payroll-Projekte ihre Tücken haben. Hier kam noch hinzu, dass die Abrechnung bis dato outgesourced, aber der Kunde mit dem Service unzufrieden war. Die Implementierung war also Teil eines Insourcing-Projektes, wobei auch die interne Abrechnungskompetenz aufgebaut werden musste.

Das Ergebnis: Ein Muster-Go-Live zum geplanten Termin (nach 7 Monaten) leicht unter dem geplanten Budget und in außergewöhnlicher Qualität: zwischen dem Go-Live und dem Abschluss der ersten monatlichen Gehaltsabrechnung war nicht ein einziger Transport für Korrekturen erforderlich und der Betrieb durch das Team das Kunden lief sehr schnell, unabhängig und mit hoher Zufriedenheit. Welche Fakturen sorgten unserer Meinung nach für so ein Traumergebnis?

  • Realistische Zeitplanung, die Raum für Testen lässt, aber auch nicht zu viel Zeit, in der das Projekt dahingedümpelt wäre
  • Von Anfang an verbringt der Berater viel Zeit mit dem Kundenprojektteam und Key-Usern, um Fälle gemeinsam durchzusprechen und Wissen zu vermitteln
  • Der Kunde hat viel Kapazität eingeplant für Know-How-Transfer und eigenes Lernen
  • Entscheidungen werden rasch getroffen, wobei es immer darum geht das Ziel zu erreichen, nicht einen Weg aufgrund alter Gewohnheiten vorzugeben
  • Der leitende Berater hatte umfassende Erfahrung mit der Lösung und der Durchführung von Implementierungsprojekten (>10 Projekte).
  • Keine Generierung neuer Anforderungen in der abschließenden Testphase
  • Ausführliches Testen insbesondere auch für die Datenübernahme
  • Keine Delegation von Aufgaben an Offshore-Teams, die den Kontext nicht verstehen
  • Offene, pro-aktive Kommunikation

Eine Eierlegende Wollmilchsau mit alten Zöpfen bremst selbst SAP Concur aus

Unser Negativbeispiel für HR-IT-Projekte war die Implementierung von SAP Concur in einem Unternehmen mit unter 1000 Mitarbeitenden. Eine Art von Projekt, die wir schon oft mit Projektlaufzeiten von unter 3 Monaten und Beratungsaufwand unter 20 Tagen gesehen haben. In diesem Fall aber dauerte es mehr als doppelt so lange und kostete deutlich mehr Beraterzeit als bei jedem ähnlichen Projekt aus der Vergangenheit. Zudem war unmittelbar nach Go-Live eine Optimierungsphase erforderlich. Danach konnte das Projekt zwar erfolgreich abgeschlossen werden, aber Anwender, die Concur schon bei früheren Arbeitgebern kannten, waren trotzdem enttäuscht über die benutzerunfreundlichen Prozesse.

Woran lag es? Das gleiche Beratungsteam hatte bereits zahlreiche Projekte bei ähnlichen Unternehmen sehr erfolgreich abgewickelt. Man hatte sich auch ausreichend Zeit genommen für die Anforderungsanalyse und entsprechend geplant. Was waren also die Faktoren, die dieses Projekt zum Negativbeispiel haben werden lassen?

Kabelsalat
Ein paar von den alten Kabeln müsste man mal abklemmen…
  • Es gab faktisch keine Projektleitung mit Entscheidungsbefugnis auf Kundenseite – der vielleicht wichtigste Punkt, der viele der weiteren Punkte bedingte. Außerdem wurde das Projekt auf Kundenseite nicht durch eine interne IT begleitet, sondern ausschließlich durch Fachabteilungen.
  • Die neue Lösung war „umzingelt“ von teilweise uralten, historisch gewachsenen Systemen, an denen Änderungen kaum machbar waren, so dass erforderliche Prozessänderungen nicht stattfanden. Stattdessen wurde versucht, eine eierlegende Wollmilchsau nachzubauen.
  • Es waren unterschiedliche Abteilungen involviert, die kein Incentive hatten, den Gesamtprozess zu optimieren, sondern durch eigene Kapazitätsengpässe stark auf Effizienzgewinne für den eigenen Teilprozess fokussiert waren
  • Diese Kapazitätsengpässe bedeuteten auch, dass wenig und spät getestet wurde, Anforderungen im Nachhinein hochkamen und vor allem keine Einarbeitung der Key-User ins System erfolgte
  • Oft unzureichende Kommunikation, sicherlich auch bedingt durchh fehlende Kapazität und Projektleitung
  • Keine Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden.

Das klingt nach vielen verschiedenen Problemen, aber die zugrundeliegenden Ursachen sind wahrscheinlich in der fehlenden zentralen Projektleitung mit Entscheidungsbefugnis und Kapazität zu sehen. Hier gibt es übrigens eine Checkliste zum Download mit Tipps zur optimalen Vorbereitung auf ein Concur Projekt.

So gelingt internationaler Rollout in HR-IT-Projekten

Auch aus dem Publikum gab es ein interessantes Projektbeispiel. Vorgestellt wurde der Rollout eines HCM-Systems mit HR, Zeitwirtschaft und Payroll auf zwei Niederlassungen in Chile, die ebenfalls im geplanten Zeit- und Budgetrahmen erfolgreich produktiv ging. Auch wenn es hier einige der typischen Herausforderungen von internationalen Rollouts gab, wie z.B.:

  • Unterschiedliche Zeitzonen
  • Ein Team aus zwei Teilen, die sich bisher praktisch nicht kannten
  • Sprachprobleme, so dass teilweise mit einem Dolmetscher gearbeitet wurde
  • Unerwartete Komplexität in Themen, die man ursprünglich nicht erwartet hatte wie die Abwicklung von Arbeitnehmerdarlehen oder die Bezahlung von Mitarbeitenden in der Funktion als Matrose

Besonders hervorgehoben wurde als Erfolgsfaktor der Teamgeist. Das Team aus chilenischen und deutschen Kundenmitarbeitern und Consultants arbeitete sehr gut und mit offener Kommunikation zusammen.

Blick von Santiago de Chile auf die Anden
Möglicherweise hat auch der Ausblick aus dem Projektraum direkt auf die Anden zum Projekterfolg beigetragen 🙂

Eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass es früh im Projekt einen einwöchigen Vor-Ort-Termin ich Chile gab und dann nochmal 2 Wochen zum Produktivstart. Nach dem ersten Vor-Ort-Termin war auch die Zusammenarbeit in den Online-Meetings deutlich verbessert. Die gute Stimmung im Projekt, zu der auch die enorme Gastfreundlichkeit in Chile beitrug, half, diverse Schwierigkeiten zu überwinden. Dass der größte Teil des Projektes unter der „Winterzeit“ der Nordhalbkugel stattfand, verkürzte auch die Zeitdifferenz deutlich und erlaubte eine stärkere Überlappung der Arbeitszeiten – das lässt sich sicher nicht immer so planen, aber man muss das Thema „Zeitzonen“ auf jeden Fall einkalkulieren.

Das gleiche gilt für die Sprachprobleme. Der Übersetzer im Projekt war mit dem fachlichen und technischen Kontext vertraut, so dass die üblichen Probleme mit fachfremden Übersetzern nicht auftraten. Zusammenfassend nahmen wir also speziell für internationale Projekte mit:

  • Vor-Ort Termine einplanen – zumindest für den Projektbeginn und idealerweise auch zum Produktivstart („Sandwich-Prinzip“)
  • Zeit-Differenz und Sprachproblem in der Projektplanung beachten
  • Teamgeist fördern: zusammen Spaß haben!

Erfolgsfaktoren für erfolgreiche HR-IT Projekte

Die Themen Teamgeist und Vor-Ort-Termine wurden in der anschließenden Diskussion auch sofort aufgegriffen. Die Teilnehmer stimmten überein, dass diese auch für lokale Projekte in Deutschland relevant sind und dass trotz des Effizienzvorteils von Remote-Arbeit, gemeinsame vor-Ort Termine zum Beginn eines Projektes und zu wichtigen Meilensteinen wichtig sind. Sie fördern

  • Vertrauen
  • Kommunikation
  • Knowhow-Transfer und
  • Motivation und Engagement

Dann ging die Zeit unserer einstündigen Diskussion auch sehr schnell vorbei. Wir hätten uns sicherlich noch eine weitere Stunde zum Thema HR-IT Projektmanagement austauschen können. Hier noch einige der aufgeworfenen Punkte, die eigentlich immer relevant sind, ganz gleich ob SAP SuccessFactors HCM, SAP Concur, SAP HCM bzw. H4S4 oder ein ganz anderes System implementiert wird:

Die realistische Budgetabschätzung für HR-IT-Projekte

coins

Wenn der Budgetbedarf zu Projektbeginn schlecht eingeschätzt wird, dann hat man erst gar keine Chance, den Plan einzuhalten. Allerdings ist zu Beginn eines Projektes oft noch gar nicht klar, was erforderlich ist, um die Projektziele zu erreichen. Die fachlichen und technischen Anforderungen zu erarbeiten, ist Teil des Projektes und sollte immer auch berücksichtigen, was die vorhandenen Tools leisten. Daher ist eine sinnvolle Aufwands- und Zeitschätzung erst nach dieser ersten Projektphase möglich. Die beste Art damit umzugehen, ist die Planung phasenweise durchzuführen:

  • Grobe Planung für das Gesamtprojekt vor Projektstart
  • Detailplanung für die Anforderungsanalyse (immer mit Systemzugang) und ggf. einen POC (Proof of Concept)
  • Detailplanung für die Implementierung auf Basis dieser Ergebnisse
  • Ggf. Detailplanung für Rollouts auf Basis der Erfahrung der ersten Implementierung

Realistische Planung interner Ressourcen aus HR und IT

Neben den externen Kosten ist es natürlich auch entscheidend, den internen Ressourcenbedarf ihres HR-Software-Projektes zu kennen und entsprechend zu planen. Sehr oft ist dieser Faktor bestimmend für die Projektdauer. Ist die Kapazität sehr begrenzt, ziehen sich Tests in die Länge und es können keine oder wenige Themen parallel laufen. Zu beachten sind u.a. folgende Punkte:

  • Es hat sich bewährt, immer auch IT Ressourcen einzuplanen, selbst wenn es nicht um rein technische Themen geht. IT-Expert*innen sind normalerweise stärker analytisch orientiert und bringen so eine wichtige Sicht in Anforderungsdiskussionen und Tests.
  • Externe Berater*innen können die üblichen Aufgaben für das interne Projektteam nennen, aber nur einen sehr groben Richtwert für die erforderliche Kapazität, da die sehr stark von der Arbeitsweise des Kunden und den Fähigkeiten des Einzelnen abhängt.
  • Die Teammitglieder dürfen nicht nur stundenweise für das Projekt verfügbar sein. Es werden auch längere Fokus-Zeiträume benötigt. Auch die Aufteilung der Kapazität auf zu viele Einzelpersonen ist ineffizient.
  • Die Besetzung muss sich auch an den Rollen nach Produktivstart orientieren, da der größte Teil des Knowhow-Transfers on-the-job im Projekt erfolgt.

Eine echte, unabhängige Projektleitung

Wie schon im Negativbeispiel oben beschrieben, ist eine übergreifende Projektleitung auf Kundenseite erfolgskritisch. Das sollte nicht der Programmierer oder die HR-Sachbearbeiterin sein, die die Detailarbeit im Projekt macht. Die Projektleitung muss übergreifend agieren und Entscheidungen treffen bzw. treffen lassen – also auch die richtigen Leute an den Tisch holen.

Iteratives Vorgehen

Spätestens seit die meisten HR-IT Projekte im SAP-Umfeld SuccessFactors HCM beinhalten, ist ein iteratives Vorgehen selbstverständlich. Dadurch wird das Konzept des traditionellen Blueprints (früher bei den Vertrieblern großer IT-Firmen wegen der Garantie enormer Change-Requests sehr beliebt) obsolet. Aber auch im iterativen Vorgehen muss man irgendwann „des Sack zumachen“. Es ist entscheidend, dass die Iterationstests ernst genommen werden und sich in den abschließenden Tests für Integration und User Acceptance keine neuen Anforderungen mehr einschleichen. Das Wissen um künftige Iterationen und Testphasen verleidet sonst dazu, dass doch erst ganz am Ende ernsthaft über die Details nachgedacht wird.

Veränderungsbereitschaft

Auch dieser Punkt war im Negativbeispiel schon betont worden. Im Rahmen der übergreifenden Ziele muss man bzgl. der Prozesse zu deutlichen Veränderungen bereit sein – dafür steht der Begriff „Digitale Transformation„. Wir müssen immer im Auge behalten, Was wir für das Unternehmen erreichen wollen und das Wie im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten optimal gestalten.

Ob SuccessFactors oder SAP HCM: Was ist „Best Practice“ wert?

Es ist natürlich in der HR-Digitalisierung immer sinnvoll sich an echter Best Practice sowie an den Möglichkeiten der verwendeten Systeme zu orientieren. In vielen Fällen können auch vorkonfigurierte Systeme sehr hilfreiche Beschleuniger sein. Die Bezeichnung „Best Practice“ oder auch „Leading Practice“ ist aber meines Erachtens fast nie angebracht. Dazu sind Unternehmen zu unterschiedlich und Trends im digitalen HCM bzw. HXM zu volatil. Bevor man sich durch ein Versprechen von „Best Practice“ zu einer sehr kurzen Projektlaufzeit verführen lässt, sollte man sich fragen: „best für wen“? Wenn es wirklich aufs eigene Unternehmen passt oder die Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit so groß sind, dass diese Best Practice mit minimaler(!) Anpassung genutzt werden kann, dann sollte man das auf jeden Fall tun. Aber ohne eine genaue Prüfung ist das Risiko enorm.

Schon Konfuzius wusste um die Herausforderungen von HR-IT-Projekten…

… als er sagte: „In allen Dingen hängt der Erfolg von den Vorbereitungen ab“.
Leider wird das oft ignoriert. Die stets eingeplante Projektvorbereitungsphase wird in der Praxis als Nachspielzeit für die Juristen und Einkäufer angesehen, die dann zwei Arbeitstage vor dem Projektstart den Vertrag abschließen. Aber bei mittleren und größeren Projekten ist eine Vorbereitung von 1-2 Monaten unabdingbar unter anderem für

  • die Sicherstellung der Verfügbarkeit der Projektteilnehmenden
  • die Projektinfrastruktur (digitale Ablage, Kollaborationsplattform, Meetingplattform, ggf. physische Räume, Dokumentationsstandards)
  • die Bereitstellung der Systeme (z.B. Provisionierung der SuccessFactors Instanzen)
  • die Bereitstellung von Zugriffen (VPN-Clients, TSA-Tokens,…)
  • die Planung der ersten Meetings
  • die Vorbereitung der ersten Meetings

Ohne diese Vorbereitung sind die ersten Workshops im besten Fall ineffizient, im schlimmsten Fall führen sie zu Fehlentscheidungen oder Frustration.

Sie haben sicher auch viele Ideen und Fragen zur Planung von HR-IT Projekten?

Sicher haben Sie bei vielen Punkten schon in den Bildschirm gerufen, weil Sie ganz ähnliche Herausforderungen kennen oder Lösungsvorschläge haben. Wir fanden die Diskussion im Rahmen unserer Konferenz jedenfalls so anregend und so kurzweilig, dass wir sie gerne in irgendeinem Format weiterführen möchten.

Haben Sie Lust an einer Diskussion zur besseren Planung von HR-IT-Projekten teilzunehmen? Dann lassen Sie uns das wissen und wir kommen bzgl. eines Termins und Formats auf Sie zu!

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