SAP HCM Kunden haben die Qual der Wahl zwischen vielen Optionen
Kürzlich durfte ich an einem Diskussionspanel zur Strategie für SAP HCM Kunden teilnehmen. Es ging dabei um die Roadmap im digitalen HR für SAP HCM Kunden: Optionen im Kontext des Wartungsendes für SAP ECC HCM und der Umstellung auf S/4HANA bzw. H4S4. Ziel war es, Teilnehmende bzgl. der Möglichkeiten zu informieren, die sie im Rahmen von Strategie und Zeitplan der SAP im Thema HCM haben. Keine leichte Aufgabe für die kurze Zeit, wenn man bedenkt, dass der individuellen Reise eines Unternehmens eine Kombination der zahlreichen hier aufgezählten SAP Lösungen zugrunde liegen kann:
· SAP HCM für S/4HANA (H4S4)
· SAP Private Cloud Edition (PCE)
· The HCM Compatibility Pack for S/4HANA
· SAP Analytics Cloud (SAC)
· SAP Employee Central Payroll
· SAP’s neue Cloud Payroll („Next Generation Payroll“), die bisher für DACH noch nicht verfügbar ist
· Hybridszenarien, die typischerweise die Integration Suite der SAP BTP (Business Technology Platform) nutzen
Ein Ergebnis der Veranstaltung war, dass bei SAP HCM Kunden noch viel Unsicherheit bzgl. der Roadmap für SAP HCM und H4S4 besteht. Das gilt sowohl für Unternehmen, die mit SAP SuccessFactors schon den Weg in die HR-Cloud begonnen haben als auch für reine on-premise Kunden. Unvollständige Informationen und Halbwahrheiten sind aber ein Risiko für Unternehmen. Sie führen schnell auf ein Abstellgleis oder zu einer falschen Weichenstellung, die nicht zur Erreichung der Unternehmenszielen führt. Ursächlich ist hier auch, dass die SAP ihren Kunden gerne viele Optionen bietet. Das bietet zwar wertvolle Gestaltungsfreiräume, macht es aber nicht einfach die optimale Roadmap individuell zu finden.
Klar ist, dass keine der on-premise oder Private Cloud Varianten größere Innovationen bringen wird. Neue Features und insbesondere der Einsatz von künstlicher Intelligenz im HR sind im wesentlichen der „echten“ Cloud Lösung SAP SuccessFactors HCM vorbehalten.
Daher haben wir uns entschlossen, Kunden wie auch Beratern anderer SAP Partnerfirmen mit diesem Überblick zu helfen. Weitere Artikel sowie Webinare zu diesem Themenfeld werden folgen. Wenn Sie an Webinaren zur DigitalHR Roadmap mit SAP HCM und SAP SuccessFactors interessiert sind nutzen Sie einfach das Kontaktformular für eine Vormerkung
SAP HCM Wartungsende
Erst mal das Wichtigste: Wie lange können Sie das altbekannte SAP ECC HCM noch nutzen?
Die Standard-Wartung läuft bis zum 31. Dezember 2027. Danach, können sie eine erweiterte Wartung durch die Zahlung einer erhöhten Wartungsgebühr erhalten. Aber auch die erweiterte Wartung für SAP ECC HCM endet am 31. Dezember 2030. Nach diesem Stichtag bietet die SAP keine Wartung für die alte Lösung mehr an. Sie sollten also Ihre HR-IT Roadmap so planen, dass sie bis dahin mit ausreichendem Sicherheitspuffer auf alternative Lösungen für Ihre digitalen HR-Prozesse umgestiegen sind.
Um das, was Sie heute im SAP HCM System nutzen, ganz oder teilweise zu konservieren, ist die Umstellung auf SAP HCM für S/4HANA der einfachste Weg. Diese Lösung entspricht mit minimalen Unterschieden dem alten System. Die Umstellung ist überwiegend rein technischer Natur, liefert also praktisch keine inhaltliche Verbesserung. Das Umstellungsprojekt ist im Vergleich zur S/4HANA Migration in anderen ERP Komponenten wie Finanzen oder Logistik relativ einfach, stellt aber dennoch einen signifikanten Aufwand dar, für den Zeit und Ressourcen eingeplant werden müssen.
Wenn Sie erst einmal auf SAP HCM für S/4HANA angekommen sind, ist Ihre Wartungsgarantie an die für die SAP S/4HANA ERP on-premise Lösung gekoppelt. Diese ist derzeit bis 2040 garantiert und wird höchstwahrscheinlich auch darüber hinaus verlängert werden. Es ist tatsächlich selten, dass derartige Lösungen eine Wartungszusage von mehr als 10 Jahren haben. Die Zahl 2040 sollet sie daher nicht beunruhigen. Wahrscheinlich hatten sie in der Vergangenheit Lösungen mit deutlich kürzerer Wartungsgarantie im Einsatz, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein.
Roadmap von SAP HCM zu H4S4: 3 Hauptszenarien
Die Abhängigkeiten Ihres HCM-Systems zur SAP ERP Lösung können ausschlaggebend sein. Diese 3 Szenarien sind im darauf folgenden Diagramm dargestellt:
1. Getrennte Systeme für SAP HCM und ERP
Ihr HCM läuft auf einem eigenen System (nicht gemeinsam mit Finanzen oder Logistik).
Dann können Sie den Zeitpunkt für die optimale Umstellung auf SAP HCM für S4/HANA rein aus HR-Sicht wählen. Hinsichtlich der Integration zum ERP System sind einige kleinere Punkte zu beachten. Dies gilt allerdings sowohl für den Umstellungstermin des HCM als auch für den Umstellungstermin des übrigen ERP (hier insbesondere die Geschäftspartnerlogik – SAP Hinweis 2578294 enthält ein umfassendes FAQ-Dokument zu dem Thema)
2. Integriertes System für SAP HCM und ERP
Ihr HCM läuft integriert mit ERP (Finanzen und Logistik) auf einem System.
In dem Fall ist die Umstellung auf SAP HCM für S4/HANA an die Umstellung auf SAP S/4HANA ERP gebunden. Da die Geschäftsanforderungen der ERP-Prozesse in der Regel die des HR überstimmen, heißt das wahrscheinlich, dass Ihr Umstellungstermin auf H4S4 in den Händen Ihrer ERP Kollegen liegt. Umso wichtiger ist daher eine frühzeitige Abstimmung.
Beachten Sie, dass dies nur gilt, wenn SAP S/4HANA ERP in der on-premise Version genutzt wird. Das schließt auch den Betrieb der on-Premise Lösung auf Cloud-Infrastruktur ein (z.B. im PCE Modell). Wenn Ihr ERP System auf SAP S/4HANA Cloud migriert wird, gibt es die Option eines gemeinsamen Systems für HCM und ERP nicht mehr. Die Cloud-Lösung für HCM ist die SAP SuccessFactors HXM Suite. Um böse Überraschungen zu vermeiden, klären Sie daher unbedingt, ob Ihr Unternehmen plant, auf S/4HANA Cloud umzustellen. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass ERP-Berater großer Beratungsunternehmen, sich bei ihren eigenen HCM-Kollegen informieren, bevor Sie Ihnen eine Roadmap vorstellen. Es soll schon verabschiedete Projektpläne gegeben haben, die eine Migration von SAP HCM nach S/4HANA Cloud vorsahen. Nochmal: diese Option existiert nicht!
3. SAP HCM Compatibility Pack für S/4HANA
Im gerade beschriebenen zweiten Szenario gibt es einen Weg, diese zeitliche Abhängigkeit aufzulösen. Dieser Weg ist im dritten Szenario des Diagramms illustriert: wenn das SAP ECC System insgesamt nach S/4HANA migriert wird, kann HCM weiter „in der alten Version“ auf dem gleichen System betrieben werden, sofern dazu das so genannte „Compatibility Pack“ implementiert wird. Allerdings ist diese Zwischenlösung nur noch bis Ende 2025 verfügbar. Daher dürfte sich diese Option zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch lohnen. Schließlich gibt es ja mit H4S4 jetzt eine Möglichkeit, das HCM gemeinsam mit ERP zu migrieren, was vor Q4/2022 noch nicht möglich war. Daher würden wir das Compatibility Pack für neue Migrationen jetzt nicht mehr empfehlen – außer vielleicht in sehr speziellen Fällen. Ansonsten sollten Zeit und Ressourcen lieber direkt in die Umstellung auf H4S4 investiert werden.
Wenn Sie das Compatibility Pack bereits nutzen, ist Ihre Deadline für die H4S4 Migration (oder einen Carve-Out des HCM) also Ende 2025. Die Nutzung der Lösung mit dem Compatibility Pack über die Deadline hinaus bedeutet nicht nur, dass keine Wartung geleistet wird. Sie stellt auch eine Verletzung des Lizenzvertrags mit der SAP dar.
Alternativen: SAP HCM Carve-Out oder Merge mit SAP ERP
Sie können auch zwischen den Szenarien 1 und 2 wechseln, indem Sie Ihre Architektur entsprechend anpassen:
- Wenn HCM und ERP zur Zeit auf demselben System laufen, können Sie diese über ein Carve-Out-Projekt trennen. Diese Architektur haben in den letzten 20 Jahren die meisten SAP HCM Kunden ohnehin gewählt, unter anderem um die Abhängigkeiten bzgl. Patches zu minimieren. In der aktuellen Situation würde das z.B. erlauben die H4S4 Migration später als die Umstellung auf S/4HANA ERP durchzuführen oder ggf. sogar ganz zu umgehen.
- Es kann aber auch Umstände geben, die genau den umgekehrten Weg erfordern. Wenn Ihr SAP HCM und ERP zur Zeit auf getrennten Systemen laufen, können diese über einen Merge zusammengeführt werden. Das kann der Reduzierung von Infrastrukturkosten dienen und insbesondere einen deutlich günstigeren Deal für die Nutzung der SAP Private Cloud Edition (PCE) ermöglichen. Beachten Sie aber, dass sie sich dadurch die oben genannten Abhängigkeiten bzgl. der Umstellung auf S/4HANA und bzgl. künftiger Patches einhandeln. Wenn die Systeme heute getrennt laufen, gibt es dazu wahrscheinlich gute Gründe.
Sowohl der SAP HCM Carve-Out als auch der Merge mit SAP ERP sind komplexe Projekte mit entsprechenden Kosten und einem gewissen Risiko. Sie werden also Ressourcen binden, die Sie anderweitig in Projekten mit echter Innovation einsetzen könnten: z.B. für die Implementierung oder weiteren Rollout von SAP SuccessFactors HXM, SAP Analytics Cloud oder SAP Workzone. Der Business Case für Carve-Out oder Merge muss also recht stark sein.
Können wir die Migration nach SAP HCM für S/4HANA (H4S4) ganz vermeiden?
Die Frage liegt nah: Müssen wir wirklich auf H4S4 umstellen oder lässt sich das umgehen?
Die Antwort: es kommt darauf an! 😉
Es wäre natürlich super, wenn sich dieses rein technische Projekt ohne Innovation vermeiden ließe. Der Weg dazu wäre der vollständige Ersatz von SAP HCM durch die Cloud-Lösungen der SAP oder ihrer Ökosystem-Partner. In vielen Fällen wird dies auch bis Ende 2027 oder zumindest bis Ende 2030 machbar sein. Die große Unbekannte in diesem Plan ist die Entgeltabrechnung.
Für Unternehmen, die keine Entgeltabrechnung in SAP HCM nutzen, sollte die Deadline in den meisten Fällen erreichbar sein. Ob sie aber gewillt sind, ihre HR-IT Projekte mit dieser Ausrichtung zu priorisieren, ist eine andere Frage. Mit SAP Payroll stellt sich die Lage deutlich anders dar.
Die verschiedenen Optionen hierzu – zusammen mit etwas Glaskugel-Lesen – schauen wir uns in den folgenden Teilen dieser Artikelserie genauer an.
Müssen wir uns mit der Umstellung auf H4S4 beeilen?
Was ist eigentlich der beste Zeitpunkt für die Umstellung auf SAP HCM für S/4HANA?
Wie in den 3 Basis-Szenarien oben dargestellt, gibt es verschiedene Deadlines und die Abhängigkeiten zur Umstellung auf SAP S/4HANA ERP. Innerhalb dieses Rahmens, gibt es aber meist keinen Grund zur Eile.
Die Migration auf SAP H4S4 bring gegenüber dem „alten“ SAP HCM keine signifikanten Vorteile – abgesehen vom reinen Überleben 😉 Es gibt also nur selten gute Gründe, die Umstellung lange vor Ende der 2027-Deadline abzuschließen. Ob sie 2027 oder 2030 anstreben sollten ist in erster Linie eine Lizenzfrage wegen der erhöhten Wartungsgebühr. Dieses Thema sollten Sie mit Ihrem SAP Account Manager besprechen. Allerdings sollten sie etwas Puffer einplanen, um absolut sicherzustellen, dass sie die zweite Deadline einhalten.
Es spricht vieles dafür, mit der Umstellung auf SAP HCM für S/4 HANA zu warten
Wenn Sie noch ein paar Jahre warten, statt die Umstellung sofort anzugehen, kann diese folgende Vorteile haben:
- Sie können die Zeit für andere Projekte nutzen und so echte Innovation, die ihre Personalabteilung, Führungskräfte und Mitarbeiter spüren, früher verfügbar machen.
- Sie können von den Erfahrungen von SAP Kunden profitieren, die vor Ihnen auf SAP HCM für S/4 HANA umstellen.
- Sie können ggf. beobachten wie die SAP Private Cloud Edition (PCE) sich für andere Unternehmen bewährt und Ihre Planung daran ausrichten
- Sie haben bessere Informationen zur Verfügbarkeit alternativer Lösungen (z.B. die neue Cloud-Payroll der SAP), die Ihnen ggf. die Transformation in ein vollständiges Cloud-Szenario für HCM erlauben, ohne vorher auf H4S4 umstellen zu müssen.
Eine schnellere Roadmap von SAP HCM zu H4S4 ist seltener sinnvoll
Auf der anderen Seite kann es auch Gründe für eine frühere Migration geben, wie zum Beispiel:
- Ihr SAP HCM System läuft auf dem selben System wie SAP ERP, so dass der Zeitplan von ERP diktiert wird. Wie oben beschreiben, könnten Sie dieser Abhängigkeit zwar über einen Carve-Out oder (bis 2025) durch das Compatibility Pack entgehen, aber in beiden Fällen stellt sich die Frage nach dem ROI.
- Sie haben Ressourcen für dieses Projekt jetzt verfügbar und keine alternativen Projekte mit höherem Mehrwert sind startbereit. Dann macht es Sinn, die Ressourcen zu nutzen, um die SAP H4S4 Umstellung schon mal abzuhaken.
- Nicht bis zur letzten Minute zu warten, macht es ggf. auch einfacher, externe Ressourcen für das Projekt zu finden. Unmittelbar vor den Deadlines in 2027 und 2030 könnte es eher Engpässe geben.
Was kommt jetzt mit SAP HCM / SAP HXM?
Es ist sicher jetzt schon klar geworden wie wichtig die Abstimmung ihrer HRIS-Roadmap mit der ERP-Planung ist, sofern ihr Unternehmen SAP ERP einsetzt.
Es gibt auch viele weitere Abhängigkeiten, aber lassen wir es erst mal dabei bewenden. So haben wir noch genügend interessante Themen für die nächsten Teile der Artikelserie:
- Wie bringen Sie die Roadmap für SAP SuccessFactors HXM mit Ihrer Planung für SAP HCM für S/4HANA zusammen?
- Wie können die Komponenten von SAP HCM durch echte Cloud Lösungen aus SAP SuccessFactors und darüber hinaus ersetzt werden?
- Welche Möglichkeiten haben Sie im Kontext von Entgeltabrechnung und Zeitwirtschaft?
- Was hat SAP PCE (Private Cloud Edition) mit der Planung rund um H4S4 zu tun?
- Wie passen andere Lösungen über das reine HCM wie SAP Concur Travel&Expense oder SAP Workzone hinaus ins Bild?
- Was sind typische Roadmaps für SAP HCM Kunden?
Wollen Sie die HR-IT Strategie oder Roadmap-Planung für Ihr Unternehmen mit unseren Beratern in einem Workshop entwickeln oder überprüfen wollen, sprechen Sie uns einfach an, z.B. über dieses Kontaktformular. Dann können wir Inhalt und Termin eines Workshops telefonisch abstimmen.
Sven Ringling arbeitet bei ORBIS People im Bereich HCM Lösungen, insbesondere SAP SuccessFactors und Employee Experience.
In über 25 Jahren als Consultant für die HR-Lösungen der SAP hat er für Beratungen in Deutschland, UK und Belgien gearbeitet und umfassende Erfahrungen gesammelt in Kundenprojekten unter anderem mit SAP HR / SAP HCM (on-premise) einschl. Payroll, SAP Concur, SAP SuccessFactors, Workforce Software und Qualtrics Employee Experience.